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09 Aug 2018 von Ludwig Boltzmann

Digitales Kuratieren: Visuelle Geschichte des Holocaust

Wien, 2. August 2018. Was bedeutet es, filmisches und anderes Kulturgut von höchster geschichtlicher Brisanz digital zu kuratieren? Der Holocaust ist ein zentraler Bezugspunkt europäischer Geschichte und eine Art „negativer Gründungsmythos“ der Europäischen Integration. Die Frage nach seinen bisherigen Darstellungen und seiner Darstellbarkeit stellt sich im digitalen Zeitalter nochmals neu. Ein Konsortium aus 13 österreichischen, deutschen, israelischen und französischen Forschungseinrichtungen, Museen, Gedenkstätten und Technologieentwicklern wird gemeinsam mit amerikanischen Partnern dazu beispielgebende Konzepte und Anwendungen entwickeln.

Im Projekt „Visual History of the Holocaust: Rethinking Curation in the Digital Age“ („Visuelle Geschichte des Holocaust: Kuratieren im digitalen Zeitalter“), das vom Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft in enger Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Filmmuseum koordiniert wird, geht es um die Möglichkeiten und Grenzen digitaler Technologien bei der Bewahrung, Erschließung und Vermittlung von Dokumenten zum Holocaust.

Im Zentrum des Projekts stehen die raren filmischen Dokumente, die von alliierten Streitkräften in befreiten Konzentrationslagern sowie an anderen Stätten nationalsozialistischer Verbrechen angefertigt wurden. Obwohl sie nur einen bestimmten Aspekt des Holocaust zeigen, haben sie die leere Stelle der fehlenden Bilder besetzt und die Vorstellung vom Holocaust nachhaltig geprägt. Diese auf Archive in den USA, Großbritannien, Russland und andere frühere Sowjetrepubliken verstreuten Filmdokumente werden erstmals zentral zusammengeführt, nach neuesten Kriterien digitalisiert, analysiert und erschlossen, um sie in weiterer Folge mit Fotografien, Schriftdokumenten, Oral History Interviews mit Überlebenden, Kameraleuten und anderen Zeugen, aber auch mit später produzierten filmischen Werken zu verknüpfen.

Bei der Arbeit mit den Filmen kommen verschiedenste digitale Technologien zum Einsatz, darunter avancierte Digitalisierung, automatische Bild- und Textanalyse, zeitbasierte Annotation und standortbezogene Dienste. Ein Ziel ist die Herstellung neuer Sinnzusammenhänge für die Forschung in Fachgebieten wie Geschichte, Film- und Medienwissenschaft, Cultural Studies und Computerwissenschaft. Darüber hinaus werden neuartige Vermittlungsanwendungen für Gedenkstätten, Museen und Bildungseinrichtungen erprobt. Mehrere Gedenkstätten sind als Partner direkt am Konsortium beteiligt: die KZ‑Gedenkstätte Dachau, die KZ-Gedenkstätte Mauthausen und die Gedenkstätte Bergen-Belsen.

„Das schwierige Thema des Holocaust und seiner visuellen Darstellung ist der Ausgangspunkt für ein Überdenken, was digitales Kuratieren generell bedeutet“, sagt der Projektkoordinator Ingo Zechner, der das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft leitet. „Welche digitalen Technologien können und sollen eingesetzt werden? Wie ist Authentizität unter den Bedingungen universeller Manipulierbarkeit digitaler Bilder zu wahren?“

Das Projekt „Visual History of the Holocaust: Rethinking Curation in the Digital Age“ wird im Rahmen des EU-Programms Horizon 2020 als Innovation Action mit rund 5 Mio. Euro gefördert. Es wurde aus 37 Anträgen erstgereiht. Die Projektlaufzeit beträgt vier Jahre mit Start im Jänner 2019.

„Das Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft hat seit vielen Jahren einen Arbeitsschwerpunkt im Bereich der Visual History, einem neuen Forschungsfeld innerhalb der Geschichts- und Kulturwissenschaften, das sich durch einen interdisziplinären Zugang und den Dialog mit der Gesellschaft auszeichnet. Das neue Projekt, das sich aus verschiedenen Blickwinkeln mit der visuellen Geschichte des Holocaust befassen wird, ist ein wichtiger Beitrag zur Zeitgeschichte und deren Vermittlung, die mit den Möglichkeiten der heutigen und kommenden digitalen Technologien neu gedacht wird“, sagt Claudia Lingner, Geschäftsführerin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. „Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft verfolgt eine gezielte Strategie zur Einwerbung von internationalen Forschungsgeldern. Dieses Horizon 2020 Projekt ist ein schönes Beispiel für den Erfolg dieser Strategie.“

Projektkonsortium

  1. Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft (AT), Koordination
  2. Bundesanstalt KZ-Gedenkstätte Mauthausen (AT)
  3. Centre National de la Recherche Scientifique (FR)
  4. Deutsches Filminstitut (DE)
  5. The Hebrew University of Jerusalem (IL)
  6. Justus-Liebig-Universität Gießen (DE)
  7. max.recall information systems Gmbh (AT)
  8. Österreichisches Filmmuseum (AT)
  9. rtd services OG (AT)
  10. Stiftung Bayerische Gedenkstätten – KZ-Gedenkstätte Dachau (DE)
  11. Stiftung niedersächsische Gedenkstätten – Gedenkstätte Bergen-Belsen (DE)
  12. Technische Universität Wien (AT)
  13. Universität Bremen (DE)

Assoziierte Partner:

  1. National Archives and Records Administration (USA)
  2. United States Holocaust Memorial Museum (USA)

Pressekontakt

Mag. Emilie Brandl
Öffentlichkeitsarbeit
Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Nußdorfer Straße 64, 1090 Wien
Tel. +43-1-513 27 50-28
rzvyvr.oenaqy@yot.np.ng
www.lbg.ac.at

Inhaltlicher Kontakt

Dr. Ingo Zechner
Projektkoordinator
Leiter Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft
Hofburg, Zuckerbäckerstiege 17, 1010 Wien
Tel. +43-1-890 96 89
vatb.mrpuare@trfpuvpugr.yot.np.ng
www.lbigg.org

Michael Loebenstein
Stellvertretender Projektkoordinator
Direktor Österreichisches Filmmuseum
Augustinerstraße 1, 1010 Wien
Tel. +43-1-533 70 54-0
z.ybrorafgrva@svyzzhfrhz.ng
www.filmmuseum.at

Ludwig Boltzmann Gesellschaft

Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine Forschungseinrichtung mit thematischen Schwerpunkten in der Medizin und den Life Sciences sowie den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und stößt gezielt neue Forschungsthemen in Österreich an. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendenden Partnern aktuell 19 Ludwig Boltzmann Institute und entwickelt und erprobt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen AkteurInnen wie Unternehmen, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft. Gesellschaftlich relevante Herausforderungen, zu deren Bewältigung Forschung einen Beitrag leisten kann, sollen frühzeitig erkannt und aufgegriffen werden. Teil der LBG sind das LBG Open Innovation in Science Center, das das Potenzial von Open Innovation für die Wissenschaft erschließt, das LBG Career Center, das 200 PhD-StudentInnen und Postdocs in der LBG betreut, und zwei neue Forschungsgruppen zum Thema psychische Gesundheit von Kindern. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sind insgesamt 550 MitarbeiterInnen beschäftigt.
www.lbg.ac.at

a. Ein Kameramann des U.S. Army Signal Corps in Dachau, Mai 1945