icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Ansteckender Krebs beim Tasmanischen Teufel: Molekulare Mechanismen entschlüsselt
14 Jan 2019 von LBG

Ansteckender Krebs beim Tasmanischen Teufel: Molekulare Mechanismen entschlüsselt

Wien, 14. Januar 2019. Tumore können normalerweise ausschließlich in dem Organismus wuchern, aus dessen Zellen sie entstanden sind. Das gilt auch für den Menschen: Abgesehen von wenigen dokumentierten Fällen, etwa durch versehentliche Schnittverletzungen während einer Krebs-OP, können Krebszellen nicht auf andere übertragen werden. Verantwortlich dafür sind eine Vielzahl an molekularen Sicherheitsmechanismen, mit denen das Immunsystem körperfremdes Gewebe abstößt und vernichtet.

Eine Ausnahme in dieser beinahe universal geltenden Regel bilden Tasmanische Teufel, die größten noch lebenden fleischfressenden Beuteltiere der Welt. Unter ihnen breitet sich seit gut zwei Jahrzehnten ein tödlicher Gesichtstumor mit rasanter Geschwindigkeit aus, dem nach aktuellen Schätzungen bisher etwa 90 Prozent der Wildpopulation zum Opfer gefallen sind. Das Besondere daran: Die Krebszellen werden durch einen Biss von einem Tier auf das nächste übertragen; genetisch sind sie in allen Proben nahezu ident und stammen daher vermutlich aus einer einzigen Ursprungszelle.

Wie dieser Krebs ansteckend wurde, und wodurch er dem Immunsystem seiner ansonsten gesunden Empfänger entkommt, war für die Wissenschaft lange ein Rätsel. In ihrer neuesten Studie (Cancer Cell 35. DOI: 10.1016/j.ccell.2018.11.018.) konnten die Gruppen von Andreas Bergthaler, Forschungsgruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Richard Moriggl, Leiter des Ludwig Boltzmann Institutes für Krebsforschung und Professor für Funktionelle Krebsgenomik an der Veterinärmedizinischen Universität und der Medizinischen Universität Wien, erstmals molekulare Mechanismen nachweisen, die zu der Übertragbarkeit des Tumors beitragen.

Die ForscherInnen fanden heraus, dass bestimmte Rezeptormoleküle auf der Oberfläche der Krebszellen, die sogenannten ERBB Rezeptoren, eine ungewöhnlich hohe Aktivität aufweisen. Diese Rezeptoren senden Signale an das Zellinnere, die über „STAT3“ genannte Proteine Einfluss auf das Erbgut der Zelle nehmen. In Folge kommt zu es zu einem regelrechten Umbau der Zelle: Die Anzahl der Moleküle, die dem Immunsystem zur Erkennung der Zelle dienen, wird reduziert, während sich gleichzeitig die Zellteilung beschleunigt und Faktoren für die Metastasierung der Tumorzellen verstärkt produziert werden.

„Mit unseren Experimenten konnten wir erstmals zeigen, dass die Überaktivierung von ERBB Rezeptoren und in Folge auch von STAT3 einen erheblichen Beitrag zur Übertragbarkeit dieser Tumore leistet“ erklärt Lindsay Kosack, Mitarbeiter im Team von Andreas Bergthaler am CeMM und Co-Erstautor der Studie. „Zudem haben wir in weiteren Versuchen zeigen können, dass durch Inhibierung des ERBB Rezeptors durch ein Medikament die Krebszellen gezielt getötet werden können. Dies könnte eine wichtige Rolle spielen, um diesen übertragbaren Tumor zu behandeln, bevor der Tasmanische Teufel vollständig ausgerottet wird.“

Die Studie, an der auch WissenschaftlerInnen der Cambridge Universität, der Universität Southampton, der Universität Toronto und der Universität von Tasmanien beteiligt waren, könnte jedoch nicht nur einen Beitrag zum Artenschutz leisten, wie Andreas Bergthaler ergänzt: „99,1 Prozent des STAT3 Proteins vom Tasmanischen Teufel sind mit dem des Menschen identisch. Und viele der Gene, die von STAT3 in den Tieren aktiviert werden, sind in menschlichen Krebsarten ebenfalls aktiv. Zudem sind die biologischen Grundprinzipien von Invasion und Festsetzung in neuen Geweben auch bei nicht übertragbaren Tumoren, insbesondere Krebsmetastasen, von entscheidender Bedeutung. Diese Ausnahmeerscheinung bei Beuteltieren vereint somit Aspekte von Krebs, übertragbaren Krankheiten und Entzündungsprozessen – alles drei extrem wichtige medizinische Forschungsfelder“.

Dass auch menschliche Krebserkrankungen häufig ansteckend werden könnten, hält Bergthaler dagegen für unwahrscheinlich, wenngleich er es nicht völlig ausschließt. Abgesehen von den entsprechenden molekularen Mechanismen, die dafür entstehen müssten, ist die Menschheit genetisch viel durchmischter und daher widerstandsfähiger als die abgeschiedene Population an Tasmanischen Teufel auf der gleichnamigen Insel. Darüber hinaus spielt wohl auch das aggressive Verhalten dieser Beuteltiere eine entscheidende Rolle. Dennoch, betont Bergthaler, kann ein besseres molekulares Verständnis dieser relativ exotischen übertragbaren Tumoren wichtige Erkenntnisse über die grundlegenden biologischen Mechanismen von Krebs liefern.

Bildmaterial: Schematische Darstellung: Überaktivierung von ERBB Rezeptoren und in Folge auch von STAT3 führt zu Übertragbarkeit von Gesichtstumoren beim Tasmanischen Teufel. Durch medikamentöse Inhibierung des ERBB Rezeptors können die Krebszellen gezielt getötet werden. Aus Kosack et al., 2019, Cancer Cell 35, 1-5, January 14, 2019 © 2018 Published by Elsevier Inc. DOI: 10.1016/j.ccell.2018.11.018

https://doi.org/10.1016/j.ccell.2018.11.018#mmc8

(Video Abstract auf der Website von Cancer Cell wird mit der Publikation freigeschalten)

Studie: „The ERBB-STAT3 Axis Drives Tasmanian Devil Facial Tumor Disease” erschien in der Zeitschrift Cancer Cell, am 14.1.2019, DOI: 10.1016/j.ccell.2018.11.018.

Autoren: Lindsay Kosack*, Bettina Wingelhofer*, Alexandra Popa*, Anna Orlova*, Benedikt Agerer, Bojan Vilagos, Peter Majek, Katja Parapatics, Alexander Lercher, Anna Ringler, Johanna Klughammer, Mark Smyth, Kseniya Khamina, Hatoon Baazim, Elvin D. de Araujo, David A. Rosa, Jisung Park, Gary Tin, Siawash Ahmar, Patrick T. Gunning, Christoph Bock, Hannah V. Siddle, Gregory M. Woods, Stefan Kubicek, Elisabeth P. Murchison, Keiryn L. Bennett, Richard Moriggl*, and Andreas Bergthaler*

*Diese Autoren trugen gleichermaßen zur Arbeit bei.

Förderung: Die Studie wurde von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), dem Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), vom Europäischen Forschungsrat (ERC) und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt.

Andreas Bergthaler hat Veterinärmedizin in Wien studiert. Nach seinem Doktorat bei Hans Hengartner und Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel an der Universität Zürich und der ETH Zürich folgten postdoktorale Forschungsaufenthalte an der Universität Genf und am Institute for Systems Biology in Seattle. Seit 2011 ist er Forschungsgruppenleiter am CeMM und ist ERC Start Preisträger.

Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter der wissenschaftlichen Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen sowie seltene Erkrankungen. Das Forschungsgebäude des Instituts befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
www.cemm.at

Ludwig Boltzmann Gesellschaft: Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine Forschungseinrichtung mit thematischen Schwerpunkten in der Medizin und den Life Sciences sowie den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und stößt gezielt neue Forschungsthemen in Österreich an. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendenden Partnern aktuell 19 Ludwig Boltzmann Institute und entwickelt und erprobt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen AkteurInnen wie Unternehmen, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft. Gesellschaftlich relevante Herausforderungen, zu deren Bewältigung Forschung einen Beitrag leisten kann, sollen frühzeitig erkannt und aufgegriffen werden. Teil der LBG sind das LBG Open Innovation in Science Center, das das Potenzial von Open Innovation für die Wissenschaft erschließt, das LBG Career Center, das 200 PhD-StudentInnen und Postdocs in der LBG betreut, und zwei Forschungsgruppen zum Thema psychische Gesundheit von Kindern. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sind insgesamt 550 MitarbeiterInnen beschäftigt.
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