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11 Nov 2016 von LBG

COPD – Wiener Studie zeigt falsche Einschätzung des Risikos

Wien (APA) – Das COPD-Risiko von jungen Menschen und Kindern ist bisher unterschätzt worden. Zugleich ist die Prävalenz der chronischen Lungenkrankheit bei älteren Menschen überschätzt worden. Das geht aus einer am Wiener Otto-Wagner-Spital laufenden Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für COPD und Pneumologische Epidemiologie hervor, deren erste Ergebnisse nun präsentiert wurden.

Im Rahmen der weltweit bisher umfassendsten Studie unter dem Titel LEAD untersuchen Mediziner seit 2012 erstmals Ursachen, Risikofaktoren und Begleiterkrankungen von COPD (chronic obstructive pulmonary disease). Die Probanden im Alter von sechs bis 80 Jahren – 9.050 aus Wien und 1.832 aus Niederösterreich – werden über einen Zeitraum von acht Jahren dreimal untersucht. Dazu werden Antworten auf 7.000 Einzelfragen gesucht. Es geht um die normale und krankhafte Entwicklung der Lungen im Kindes- und Erwachsenenalter im Hinblick auf Einflussfaktoren wie sozioökonomischer Status, Infektionen und Umwelteinflüsse und deren Bedeutung für eine spätere Erkrankung. Parallel dazu werden Übergewicht, Diabetesrisiko, Herz-Kreislaufgesundheit, Osteoporose und Allergien diagnostiziert.

Differenzierung nach Altersgruppen

Die Prävalenz der fixierten – also durch Medikamente nicht oder kaum beeinflussbaren – obstruktiven Lungeneinschränkung in der Gesamtbevölkerung beträgt 5,2 Prozent und stimmt mit den von Ärzten diagnostizierten COPD-Fällen überein. Die Forscher um Sylvia Hartl und Otto C. Burghuber, Vorstände der Lungenabteilungen am Otto-Wagner-Spital, haben nun nach Altersgruppen differenziert und bei 3,5 Prozent der Sechs- bis 24-Jährigen eine fixierte Lungenfunktionsstörung gefunden, während nur 1,5 Prozent dieser Altersgruppe eine ärztliche COPD-Diagnose hat.

Bei den 25- bis 39-Jährigen waren es 4,5 Prozent mit gemessener Funktionsstörung gegenüber 2,6 Prozent mit COPD-Diagnose. Kein Unterschied hinsichtlich des Anteils an solchen Diagnosen und gemessener Störung ergab sich bei den 40- bis 59-Jährigen. Allerdings kam heraus, dass die gemessenen Lungenfunktionsstörungen in der jüngeren Gruppe bereits gleich häufig sind wie bei der älteren.

Bei den 60- bis 69-Jährigen wendet sich das Blatt: Während bei 9,5 Prozent der Menschen dieser Altersgruppe eine COPD diagnostiziert wurde, registrierten die Mediziner nur bei acht Prozent eine fixierte Lungenfunktionsstörung. Bei den Über-70-Jährigen wurden fünf Prozent solcher Störungen gemessen – bei halb so vielen wie mit COPD-Diagnose. Grund dafür: Die Forscher haben die altersbedingte, nicht krankhafte Abnahme der Lungenfunktion einkalkuliert, die mit 35 Jahren einsetzt.

Einschränkungen bei Lungenwachstum

Grund zur Sorge bereitet den Medizinern die Tatsache, dass in der Phase des Lungenwachstums, also bis zum 25. Lebensjahr, bereits 3,5 Prozent der Menschen keine normale Lungengröße erreichen. In der Gruppe mit pathologischer Lungenfunktion sind 42 Prozent Raucher oder Ex-Raucher, ein Viertel war Passivrauch ausgesetzt, 46 Prozent hatten respiratorische Symptome und 14 Prozent die Diagnose Asthma.

Die Analyse von Risikofaktoren für diese Altersgruppe und die weitere Beobachtung der Probanden wird von besonderer Bedeutung sein. Auf jeden Fall plädieren die Forscher für Lungenfunktionstests im Kindesalter und bei 25-Jährigen. „Bis jetzt weiß ja keiner, wann COPD beginnt“, erklärte Hartl vor Journalisten. „Vielleicht werden wir in zehn Jahren sagen: COPD ist auch eine Kinderkrankheit.“

Die chronisch obstruktive Lungenkrankheit wird schon in wenigen Jahren die dritthäufigste Todesursache weltweit sein, die Wissenschaft hat sie allerdings noch nicht im Griff. Dass mindestens 80 Prozent der Betroffenen Raucher sind, stimmt offenbar gar nicht. Das Laster erklärt nur die Hälfte der chronischen Lungenerkrankungen. Andere mögliche Auslöser sind Luftschadstoffe, Übergewicht, Allergien oder Bronchitis. Über die Zusammenhänge weiß man noch zu wenig. Der kolportierte Prozentsatz an Rauchern unter COPD-Patienten stammt laut Hartl aus der Erfahrung der behandelnden Ärzte. Aber zu diesen kommen die Betroffenen in der Regel erstmals, wenn die Lungenfunktion schon um die Hälfte reduziert ist.

Quelle: APA Science

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